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UX-Writing: Wie geht das? 3/3

"Liebe Frau Wandel, das Design unserer neuen Website steht. Jetzt bräuchten wir noch die passenden Texte, schön verpackt und suchmaschinenoptimiert". Solche Anfragen bekomme ich ab und zu. Texten hat in solchen Fällen etwas von Tetris spielen.

 

Als Texterin ist es mir lieber, die Anfrage kommt  früher: Wenn es an die Konzeption der Webseite geht. Also um Fragen wie: Was suchen Menschen auf dieser Website - und was nicht? Wie gewinnt sie Vertrauen? Welche Menüstruktur braucht sie?

Meiner Erfahrung nach freuen sich auch Website-Gestalter, wenn sie konkrete Inhalte setzen dürfen anstatt Blindtext.

 

Im dritten Teil dieser Blogreihe zum Thema UX-Writing geht's in die Praxis. Denn UX-Text entsteht im Zusammenspiel mit Struktur und Design einer Webanwendung. Daher steigen UX-Texterinnen frühzeitig in den Prozess ein, nicht erst wenn das Layout der Website bereits in HTML gemeiselt ist.

 

 

Zielgruppe: Für wen schreibe ich?

Silhouetten von Menschen mit einer Zielscheibe und Pfeil dahinter
Content Strategy braucht die richtige Zielgruppe

 

 

 

Vor dem Schreiben kommt das Denken und Recherchieren. Ich erarbeite ein Konzept (Content Strategy) und sammle Informationen zu Produkt und Zielgruppe.

Produkte sind oft austauschbar, Botschaften nicht.

Was motiviert meine Zielgruppe, was kommt gut bei ihr an? Idealerweise sind das Texte, bei denen die User nach jedem Punkt innerlich "Ja" sagen. Damit solche Texte gelingen, sollte ich wissen, wie die User ticken. Die Zielgruppe braucht ein Gesicht.

Von der Zielgruppe zur Person

Oma Olga oder Tom Teilefix: Ich skizziere konkrete Personen, für die ich schreibe. Hier ein Beispiel aus einer Kampagne für einen Mobilfunkanbieter. Die Personas stehen für eine moderate Zielgruppe mit durchschnittlichem digitalen Reifegrad:

 

"Familie Marthaler aus Waltenhofen
Vater Stefan (47, Lokführer), Mutter Monika (44, Leiterin mehrerer Gospelchöre, Gesangslehrerin) mit Maja (14) und Mareike (15) nutzen einen Familientarif. Arbeit und Schule geben den Takt in der Familie an. Vor allem die Eltern sind tagsüber stark eingebunden. Dennoch ist es ihnen wichtig, Anliegen selbständig zu erledigen – das wollen sie auch ihren Kindern vorleben."

"Als Mensch spreche ich immer mit meiner Stimme, doch sie klingt je nach Gesprächspartner und Situation unterschiedlich. So hat auch jede Marke Voice und Tone."

Voice und Tone einer Website

Ob ich mit dem Finanzamt telefoniere, eine Präsentation halte oder mit meinem Kind Verstecken spiele: Ich bin immer dieselbe Person. Je nach Umfeld variieren jedoch der Ton meiner Stimme und meine Wortwahl.

 

So hat auch jedes Produkt eine charakteristische Stimme (z.B. gehoben, frech, intellektuell, niederschwellig etc.). Doch je nach Situation passt sich der Klang dieser Stimme an. Wie klingt Ihr Produkt auf Social Media, im Angebotstext, in einer Stellenausschreibung? Wie klingt es in einer Fehlermeldung oder in einer Mahnung?

 

Auch wenn der Ton variiert, sollte die Stimme wiedererkennbar sein. Sonst bringen Sie die Nutzer ins Schleudern. So also nicht: "Für Ihre Reise mit uns bedanken wir uns herzlich. Wir hoffen, Sie haben sich wohlgefühlt an Bord. Jetzt aber dalli, dalli, drücken Sie beim Aussteigen auf die Tube!"

 

Mailchimp liefert eine – wie ich finde – hervorragende Erklärung dazu in seinem Content Style Guide:

Mailchimp erklärt in seinem Content Style Guide auf Englisch den Unterschied zwischen Voice und Tone
Screenshot: https://styleguide.mailchimp.com/voice-and-tone/

"Produkte sind oft austauschbar, Botschaften nicht."

Zwei Beispiele zum Zitat:

  1. BMW und Volvo bauen beide Autos. Dennoch haben sie ein unterschiedliches Image: BMW steht für einen sportlichen Fahrstil, Volvo verkörpert Sicherheit.
  2. Die Dating-Dienste Tinder und Parship bieten eine scheinbar austauschbare Dienstleistung. Doch sie sprechen verschiedene Zielgruppen an: Die eine Website klingt niederschwellig und direkt, die andere siezt die User und mutet seriös, beinahe wissenschaftlich an.

Die "Voice" dieser Produkte ist also ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal und macht sie wiedererkennbar.

Checkliste für gute UX-Texte

  1. Das Wichtigste zuerst
  2. Kurze und einfache Sätze
  3. Oft reichen Fragmente statt Sätze
  4. Unwichtige Details und Komplexes streichen (dafür gibt es FAQ)
  5. Aktiv statt Passiv
  6. Bekannte Wörter (lieber "zerbrechlich" als "fragil")
  7. Vorsicht bei Jargon, Fachausdrücken, Wortschöpfungen und Modewörtern
  8. Konkret statt abstrakt (Wolf Schneider: „Hühner höre ich noch gackern, Geflügel nicht mehr“)
  9. Listen und Tabellen (mögen Leser und Suchmaschinen)
  10. Bläh- und Füllwörter streichen

 

 

Buttons: Konkret statt abstrakt

Roter Button mit der Aufschrift "30 Tage kostenlos ausprobieren"
Bild: https://www.netflix.com/de/

Sie sind klein und von großer Bedeutung: Buttons, die zum Klicken auffordern. Bei Obamas Wahlkampagne soll der richtige Button-Text laut Tests 60 Millionen Dollar mehr an Wahlkampfspenden gebracht haben.

 

Hier ein paar Tipps für das Formulieren von Button-Texten:

  1. Spezifisch statt austauschbar
  2. Konkret
  3. Informativ
  4. Zum Handeln auffordern

UX-Serie zum Nachlesen:

Teil 1 "UX Writing: Was ist das?"

Teil 2 "UX Writing: Was kann das?"

 

Dies ist der dritte Teil meiner Blog-Reihe zu UX-Writing. Natürlich lassen sich darüber ganze Bücher schreiben - das haben einige Texter auch schon getan. Mir ging es darum, Schlaglichter auf das Thema zu werfen. Wenn Sie mehr wissen möchten oder Hilfe beim Texten brauchen: So finden Sie mich.


Quellen und Lesetipps:

https://styleguide.mailchimp.com/

https://uxknowledgebase.com/ux-writing-part-2-d89e481dd11b

https://uxplanet.org

 

Bild Megaphone: by S K from Pixabay

Bild Zielgruppe: Gerd Altmann from Pixabay

Bild Katze unter Decke: by cherry from Pixabay

Foto von Peggy Wandel: Corinna Spitzbarth

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